Nach aktuellen Schätzungen sind derzeit mehr als 160 Millionen Kinder von Kinderarbeit betroffen. Damit hat sich die Zahl zum ersten Mal seit 20 Jahren wieder verschlechtert. Und Forscher*innen gehen davon aus, dass sie durch die Corona-Pandemie sogar noch weiter steigen wird. Umso wichtiger ist es, dass Unternehmen und Politik nun alles dafür geben, das Problem zu bekämpfen. Auf den Kakaofarmen von Yayra Glover Ltd. gibt es schon seit Jahren keine Fälle von Kinderarbeit mehr, dank intensiver Aufklärungsarbeit, regelmäßigen Farmbesuchen und Prämien, mit denen die Famer*innen ihre Kinder zur Schule schicken können. Seit Juni hat fairafric nun einen Extension Officer, der direkt für uns und unabhängig von anderen Organisationen Daten zur Situation auf den Farmen sammelt. Wie genau seine Arbeit aussieht und warum sie so wichtig ist, erfahrt Ihr in diesem Blogpost. Zunächst möchten wir Euch aber ein paar allgemeine Informationen zum Thema Kinderarbeit geben. Was genau ist mit dem Begriff gemeint, welche Regelungen gibt es und wie ist die derzeitige Situation auf den Kakaofarmen in Ghana?
Kinderarbeit – diese Formen gibt es
Eines der wesentlichen Probleme beim Erkennen und Vermeiden von Kinderarbeit ist es, sie zu identifizieren. Denn nicht jede Arbeit, die von Minderjährigen verrichtet wird, gilt automatisch als Kinderarbeit. Unser Extension Officer Mubarak erklärt genauer, wo hier die Grenzen liegen: „Die Beteiligung von Kindern an Arbeiten, die ihre Gesundheit und persönliche Entwicklung nicht beeinträchtigen oder ihre Schulbildung stören, wird im Allgemeinen als etwas Positives angesehen. Dazu gehört zum Beispiel die Mithilfe im Haushalt der Eltern, ungefährliche Aufgaben auf einer Farm oder das Verdienen von Taschengeld außerhalb der Schulzeit und in den Schulferien.“
Diese sogenannten „leichten Tätigkeiten“ dürfen von Kindern bereits vor der Jugend ausgeführt werden. Die offizielle Beschäftigung von Minderjährigen außerhalb des Haushalts ist jedoch erst ab einem bestimmten Mindestalter gestattet. Dieses liegt in den meisten Staaten zwischen 14 und 16 Jahren. In Ghana und Deutschland müssen Jugendliche mindestens 15 Jahre alt sein, um am Arbeitsmarkt teilnehmen zu können. Auch dann gibt es aber viele Regelungen, welche beachtet werden müssen. Festgehalten sind diese Kinderrechte unter anderem in den Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) oder den UN-Kinderrechtskonventionen. In letzterer steht:
„Die Vertragsstaaten erkennen das Recht des Kindes an, vor wirtschaftlicher Ausbeutung geschützt und nicht zu einer Arbeit herangezogen zu werden, die Gefahren mit sich bringt, die Erziehung des Kindes behindern oder die Gesundheit des Kindes oder seine körperliche, geistige, seelische, sittliche oder soziale Entwicklung schädigen könnte.“ (Art. 32, Abs. 1)
Wird dieses Recht missachtet, handelt es sich nicht mehr länger um eine leichte Tätigkeit oder legale Beschäftigung, sondern um Kinderarbeit. Hier unterscheiden UN und ILO nochmals zwischen der unerlaubten Beschäftigung von Kindern und gefährlicher Arbeit. Zu Letzterer zählt beispielsweise Nachtarbeit, Arbeit mit gefährlichen Stoffen oder Maschinen sowie noch schlimmere Formen wie Zwangsarbeit, Kinderprostitution oder der Einsatz von Kindern als Soldat*innen. Obwohl alle 187 Mitgliedsstaaten der ILO das „Übereinkommen über das Verbot und unverzügliche Maßnahmen zur Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit“ 1999 unterzeichnet haben, sind heute 79 Millionen Kinderarbeiter*innen von diesen besonders schlimmen Formen der Ausbeutung betroffen.
Kinderarbeit im Kakaoanbau
Auch im weltweiten Kakaoanbau schuften immer noch Millionen von Kindern. Allein in Westafrika sind 1,6 Millionen Kinder auf Kakaofarmen tätig. Teilweise müssen sie schwere Lasten schleppen, mit Macheten hantieren oder sind giftigen Pestiziden ausgesetzt.
Die Schokoladenindustrie verspricht seit Jahrzehnten, den Anteil der Kinderarbeit zu reduzieren. Bereits 2001 hatten die acht größten Schokoladenfirmen (z.B. Nestlé, Mars und The Hershey Company) das Harkin-Engels-Protokoll unterschrieben, in dem sie versprachen, die schlimmsten Formen von Kinderarbeit zu beenden. Im Laufe der Zeit wurde dieses Ziel immer wieder angepasst und verschoben, bis es nur noch um eine Reduzierung statt einer Beendigung der Kinderarbeit ging. Heute, ganze 20 Jahre später, ist auch das nicht erreicht – im Gegenteil: Auch im Kakaosektor ist der Anteil der Kinderarbeit in den letzten Jahren wieder stark gestiegen.
Für die Entstehung und den jetzigen Anstieg von Kinderarbeit im Kakaosektor gibt es viele Gründe. Einer der wichtigsten ist der derzeitige Kakaopreis auf dem Weltmarkt. Er lag in den letzten Jahren bei durchschnittlich 2.200 US-Dollar, während er in den 70ern und 80er-Jahren fast doppelt so hoch war. Mit diesem Preis erhalten die Kakaofarmer*innen gerade einmal ein Drittel eines existenzsichernden Einkommens.
Das hat zur Folge, dass sie sich die Schulgebühren der Kinder nicht leisten können und auch keine Helfer*innen auf den Farmen anstellen können. Somit sind sie oftmals auf die Mitarbeit der eigenen Kinder angewiesen, um überhaupt genug für die Sicherung ihrer Grundbedürfnisse zu verdienen. Es entsteht ein Teufelskreis, denn die Kinder haben ohne Schulbildung oftmals keine Perspektiven und müssen ebenfalls auf den Kakaofarmen arbeiten, wo sie aufgrund der niedrigen Löhne, der Armut nicht entkommen können.
Im Jahr 2020 haben die Regierungen von Ghana und der Elfenbeinküste deshalb das sogenannte „Living Income Differential“ (LID) eingeführt, eine Prämie von 400 USD pro Tonne, welche zusätzlich zum Weltmarktpreis bezahlt werden muss. Mit dieser soll die Lücke zwischen existenzsicherndem Einkommen und tatsächlichem Lohn etwas geschlossen werden. Um die Situation der Farmer*innen wirklich zu verbessern, müsste aber noch mehr Geld gezahlt werden und vor allem auch strukturelle Veränderungen vorangebracht werden.
Vorgehen gegen Kinderarbeit bei fairafric
Die Farmer*innen bei Yayra Glover Ltd., die den Kakao für unsere Schokoladen ernten, erhalten neben dem Tonnenpreis und dem LID zusätzlich eine Bio-Prämie von 600 USD pro Tonne. Dadurch können die Farmer*innen die Schulgebühren ihrer Kinder finanzieren. Inzwischen gibt es sogar einige Familien, deren Kinder eine Universität besuchen.
Außerdem werden die Familien dabei unterstützt, zusätzliche Einkommensquellen zu schaffen. Durch den Bio-Kakaoanbau und die damit verbundene Aus- und Weiterbildungen durch Yayra Glover Ltd. wird zudem der Ertrag auf den Farmen gesteigert. Das wahrscheinlich wichtigste Werkzeug gegen Kinderarbeit ist jedoch die Aufklärungsarbeit innerhalb der Gemeinden. Die Erfahrung hat gezeigt, dass Farmer*innen, die um die Bedeutung und Vorteile einer Schulausbildung wissen, sich von selbst mehr darum bemühen, ihren Kindern diesen Weg zu ermöglichen. Dieses Bewusstsein wird durch gezielte Aufklärungsarbeit von Extension Officers in den einzelnen Gemeinden geschaffen und gestärkt. Zudem besuchen sie die Farmen und ermitteln, welche Familien wie stark davon gefährdet sind, Kinderarbeit zu gebrauchen.
Extension Officer Mubarak erklärt das Vorgehen wie folgt: „Haushalte, die in die niedrige Risikokategorie eingestuft sind, erhalten mindestens einmal im Jahr einen unangekündigten Besuch auf der Farm. Haushalte in der mittleren Risikokategorie erhalten ein sofortiges Follow-up mit einer Bedarfsermittlung, Abhilfe und Überwachung während der Risikobewertung der Kinderarbeit. Haushalte, die in die Hochrisikokategorie fallen, werden regelmäßig besucht. Der Extension Officer führt Haushaltsbefragungen durch und schärft das Bewusstsein in Haushalten, Farmen und Gemeinden. Bei Kindern, die als in Kinderarbeit verwickelt identifiziert werden, wird eine Bedarfsanalyse, Abhilfemaßnahmen und eine direkte Unterstützung des Kindes sowie eine kontinuierliche Überwachung eingeleitet, bis klar ist, dass sich die Situation des Kindes verbessert hat und es die Schule besucht.“
Dank dieser Herangehensweise und den zusätzlichen Unterstützungen gibt es derzeit keine Fälle von Kinderarbeit auf den Farmen unserer Zulieferer*innen. Nun ist es unser Ziel, dass es auch dabei bleibt und Risikofamilien schnell und direkt geholfen werden kann, bevor es zu Fällen von Kinderarbeit kommt. Damit wir ein noch genaueres Bild der Situation auf den Farmen bekommen und dieses auch kommunizieren können, wird Mubarak zusätzlich zu den Extension Officers von Yayra Glover Ltd. Daten sammeln, überprüfen und eine jährliche Berichterstattung erstellen. Dabei wird er Hand in Hand mit ihnen zusammen arbeiten, jedoch mit speziellem Fokus auf der Implementierung eines Child Labor Monitoring and Remediation Systems. Somit können wir in Zukunft noch mehr auf die Belange der Farmer*innen eingehen und vollständige Transparenz auch Euch gegenüber gewährleisten.
Fazit
Obwohl Kinderarbeit seit Jahrzehnten weltweit als drängendes Problem anerkannt wird und nicht nur Großkonzerne, sondern auch Regierungen versprochen haben, dieses zu bekämpfen, betrifft es immer noch Millionen von Kindern. Als kleine Unternehmen, aber auch als Verbraucher*innen, die nicht von Profitdenken bestimmt werden, können wir aber Druck von unten machen. So setzt sich beispielsweise die Initiative Lieferkettengesetz seit zwei Jahren für den Beschluss eines Gesetzes zur Sorgfaltspflicht von Unternehmen ein. Seit dieses im Juni verabschiedet wurde, bemühen sie sich um weitere Verschärfungen. Auch durch bewussten Konsum kann viel bewirkt werden, zum Beispiel, indem wir Produkte von Unternehmen kaufen, welche sich aktiv gegen Kinderarbeit einsetzen. Gut sind auch Produkte aus direktem fairem Handel. Das bedeutet, dass die Unternehmen im Vertriebsland direkt mit den Produzent*innen vor Ort zusammenarbeiten und somit besser Verantwortung für deren Arbeitsbedingungen übernehmen können.
Wir bei fairafric werden jedenfalls weiterhin alles geben, damit Kinderarbeit endgültig ein Problem der Vergangenheit ist. In Mubaraks Worten: „Wir werden sicherstellen, dass die heutige Generation von Kindern ihr volles Potenzial ausschöpfen kann und eine Chance auf die glänzende Zukunft hat, die sie verdient.“