Fairtrade Schokolade: Wie fair ist Schokolade für die Kakaofarmer*innen?

Solarbetriebene Schokoladenfabrik in Ghana

Fairtrade, und insbesondere die Nachfrage nach fairtrade Schokolade boomt. Aber was ist fairtrade? Und was bedeutet fair in diesem Fall für die Kakaofarmer*innen aus Ghana?

Fairtrade Zertifizierungen wie das Fairtrade Siegel sind schon längere Zeit in Kritik geraten. Spätestens 2018 nach der Veröffentlichung des Kakaobarometers ist dies von unabhängigen Instituten belegt worden. Nun hat sich auch ein ghanaischer Experte dem Thema „Fairtrade“ gewidmet und einen Artikel zu der „großen Frage: ist Fairtrade fair für die Kakaobauern und Kakaobäuerinnen?“ veröffentlicht. Fairafric teilt diesen kritischen Ansatz und wir beleuchten in diesem Blogpost einmal genauer, was das Fairtrade Siegel für die ghanaischen Kakaobauern und Kakaobäuerinnen bedeutet.

Die Ausgangslage: Herausforderungen im Handel mit Kakao

Der Handel mit Kakaobohnen entstand ursprünglich in Zentralamerika und erst im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Schokolade, wie wir sie heute kennen. Ghana zählt neben der Elfenbeinküste zu den stärksten Kakaoanbau-Ländern in Afrika. Nach Fountain und Huetz-Adams (2018) gibt es ca. 2.000.000 Farmer *innen in Ghana und der Elfenbeinküste, das durchschnittliche Einkommen liegt allerdings bei 0,78$ pro Kopf pro Tag. Oft leben Kleinbäuer*innen also an der Armutsgrenze und Kinderarbeit ist in diesem Anbausektor keine Seltenheit. Eine Ausbildung für die Kinder ist meist nicht möglich und die Familie braucht ihre finanzielle Unterstützung.


Neokoloniale Wirtschaftsstrukturen

Zu den ländlichen Strukturen kommen neokoloniale Strukturen. Kakaobohnen werden hauptsächlich exportiert und die Wertschöpfung findet in Industrieländern statt. Am unteren Ende der Wertschöpfungskette gibt es für die Farmer*innen nicht viele Ausweichmöglichkeiten und sie sind abhängig vom stark schwankenden Weltmarktpreis, um ihre Kakaobohnen an Händler*innen verkaufen zu können.

Der Weltmarktpreis für Kakao und seine Auswirkungen

Ende der 1980er und insbesondere Ende der 90er Jahre stürzte der Weltmarktpreis für Kakaobohnen ab. In diesem Kontext war die Idee des Fairtrade Siegels an sich und der Ansatz, einen Mindestpreis von (mittlerweile) 2400$/ Tonne zu zahlen, berechtigt. Seit Anfang der 2000er stieg der Kakaopreis allerdings und machte so das Konzept des fixen Mindestpreises der Fairtrade Organisation strittig.

In Ghana und der Elfenbeinküste setzt sich der Kakaopreis allerdings nicht nur aus dem Weltmarktpreis zusammen. Das CoCoBod (Cocoa Marketing Board= Kakaovermarktungsorganisation) in Ghana legt zu Beginn vor der Erntesaison einen eigenen Mindestpreis vor, welcher einem bestimmten Prozentsatz des Weltmarktpreises entspricht. Kommt es zu einer Differenz zwischen staatlichem Mindestpreis und den 2400$/Tonne des FairTrade Siegels, wird im Falle einer negativen Differenz auf die 2400$ aufgestockt.

Das CoCoBod unterstützt die ghanaischen Kakaofarmer*innen in den Bereichen Qualitätskontrolle, Bildung, Einsatz von Pestiziden, oder aber auch der Ausgabe von Setzlingen. So können auch nicht zertifizierte Farmer*innen von Weiterbildungen und extra Serviceleistungen ohne die Gebühren, die bei einer Fairtrade Zertifizierung anfallen, profitieren. Weiterführende Erklärungen dazu könnt ihr auch hier nachlesen.


Begriffsabgrenzung: Fairtrade versus Fair trade

Fairtrade ist nicht gleich fair gehandelt. Dies bestätigt vor allem der Blick auf das Kakaobarometer und der Artikel des Ghanaen Kwame Asamoah Kwarteng. Während Fairtrade im Sinne des Fairtrade Siegels meist klassischen Strukturen folgt und die Rohstoffe exportiert werden, um sie weiterzuverarbeiten, folgt ein fair gehandeltes Produkt im besten Falle dem fair chain Ansatz und die Wertschöpfung bleibt im Ursprungsland. 

Die Idee des Fairtrade Siegels besteht darin, anhand bestimmter Kriterien zu den Bereichen Sozial, Ökologie und Ökonomie die Lieferkette eines Produktes transparenter und fairer zu gestalten. Die Organisation agiert durch Kontrollen, also insbesondere am Anfang der Lieferkette, bei der Rohstoffgenerierung durch die Farmer*innen. Das Siegel Fairtrade wird von der internationalen Zertifizierungsstelle FLOCERT, übrigens ein Tochterunternehmen der Fair Trade Organisation selbst, zertifiziert. Alle Standards müssen erfüllt werden bevor ein Produkt das Fairtrade Siegel tragen darf. Die Zahl der zertifizierten Produktorganisationen liegt mittlerweile bei über 1400 und beinhaltet laut Fairtrade 1,66 Millionen Kleinbauern und Kleinbäuerinnen und Beschäftigte.

Fairtrade Siegel : Welche Kriterien müssen erfüllt werden?

Das Fairtrade Siegel zertifiziert verschiedene Produktarten bzw. Rohstoffe wie Kaffee, Baumwolle, Blumen aber auch Zucker oder Gewürze. Da uns die Auswirkungen für die ghanaischen Farmer*innen interessieren, werden wir uns einen Überblick über die Kriterien für Kakaobäuer*innnen verschaffen.

Der Fokus der Fairtrade-Zertifizierung liegt bei den sozialen Kriterien für Kakaofarmer*innen. Die Zertifizierung beinhaltet aber auch den richtigen Umgang mit Pestiziden und gefährlichen Substanzen gemäß der Umweltstandards. Außerdem können sich die Farmer*innen in Gewerkschaften organisieren und bekommen Schulungen über die Organisation zur Verfügung gestellt.

Richtlinien zu Arbeitsbedingungen auf den Plantagen umfassen einen Schutz gegen Diskriminierung und Zwangsarbeit sowie Maßnahmen gegen Kinderarbeit. Besonderheiten sind die Zahlung eines Mindestpreises und die Auszahlung einer Prämie von 240$/ Tonne Kakaobohnen, ob bio-zertifiziert oder konventionell macht hierbei keinen Unterschied. Für Ghana und die Elfenbeinküste gelten abweichende Regulierungen bedingt durch die andere Preissetzung, die zu Beginn erwähnt wurde. Zu den oben genannten Kriterien gehören Audits, die in regelmäßigen Abständen die Gegebenheiten kontrollieren. Die Ergebnisse der Audits sollen für alle Mitglieder einsehbar sein und für sie verständlich gemacht werden. FLOCERT führt diese teils unangekündigten Audits durch und hat weltweit Mitarbeiter*innen, um lokal zu agieren. Durch das Corona-Virus wurden die Audits übrigens teilweise ausgesetzt, sind nun aber wieder aktiv und auch als „Remote“ Audit durchführbar.


Fairtrade Kritik

Fairtrade Kritikpunkte sind schon länger bekannt, kommen aber oftmals nicht bei allen Endkonsument*innen an oder verlaufen sich im Siegel-Dschungel. Einer der größten Fairtrade Kritikpunkte, welcher insbesondere in Ghana eine wichtige Rolle spielt, ist, dass es keinen wesentlichen Unterschied im Einkommen zwischen zertifizierten und nicht zertifizierten Farmer*innen im Kakaoanbau gibt. Im Folgenden werden Kritikpunkte genannt, die allerdings lediglich die Oberfläche ankratzen und Argumente wie beispielsweise der Mengenausgleich werden außen vorgelassen, da dies den Rahmen unseres Blogbeitrags sprengen würde.

Zertifizierten Farmer*innen entstehen Kosten durch Gebühren, Audits und eine Abgabe an die Fairtrade-Organisation. Die Prämie von 240$ wird nur zur Hälfte an die Farmer*innen direkt ausgezahlt, die andere Hälfte fällt für Kosten der Organisation an. "Direkt" heißt hier als Beitrag zu Projekten in der ganzen Kommune. Letztendlich können die Farmer*innen also nicht individuell über die Prämie entscheiden. Profiteur der Prämie ist die ganze Kommune – ob das fair oder nicht fair ist, kann sicherlich diskutiert werden.

Des Weiteren gibt es durch das CoCoBoD die Möglichkeit für nicht zertifizierte Farmer*innen, Qualitätskontrollen und andere Dienstleistungen wahrzunehmen, ohne zusätzliche Kosten an eine internationale Organisation ausgeben zu müssen.

Das Kakaobarometer zeigt zu dem auf, dass sämtliche Zertifizierungen nicht dazu beigetragen haben, wenigstens ein existenzsicherndes Einkommen zu gewährleisten. So bleiben die Kleinbauern und Kleinbäuerinnen in ihrer strukturellen Armut und haben kaum eine Chance, ein höheres Einkommen zu generieren.

Ein existenzsicherndes Einkommen wird übrigens anders definiert und berechnet, als ein existenzsichernder Lohn – im Englischen einfacher zu unterscheiden mit "living wage" und "living income". Ein existenzsicherndes Einkommen bezieht sich auf selbstständige Arbeiter*innen und keine Lohnarbeiter*innen, die beispielsweise in einer Fabrik arbeiten. Dies sind also meist Farmer*innen. Die Berechnung erfolgt durch das Einkommen für den gesamten Haushalt und schließt sämtliche Kosten für einen Lebensstandard wie Nahrung und Unterkunft, aber auch die Kosten für Pestizide, Lagerung oder Mitgliedsgebühren mit ein. Der existenzsichernde Lohn wird dagegen auf der Basis des Lohns für eine Woche berechnet und schließt nur Kosten für den Lebensstandard mit ein.

Einen weiteren Kritikpunkt bringt die Preisgestaltung des Endproduktes auf. Diese liegt nicht in der Hand der Farmer*innen und letztlich profitieren von einem hohen Endpreis die Produktionsfabrik, die Schokoladentafelverkäufer*innen und internationale Unternehmen. Der Ursprung zu den einzelnen Farmer*innen ist meist durch Zwischenhändler*innen undurchschaubar und das Geld bleibt außerhalb des Landes. Und das, obwohl es ein Fairtrade Siegel ermöglicht, bei Endkonsument*Innen einen höheren Preis zu setzen, denn die Zahlungsbereitschaft ist nach einer Studie der Universität Bonn mit einem Siegel zu 38,6% höher. In dieser Studie wurden Gehirnstimulationen von potentiellen Kund*innen auf Siegel wie Fairtrade gemessen und ausgewertet.


Fazit

Wie fair ist also nun das Fairtrade-Siegel für die ghanaischen Kakaofarmer*innen? Schaut man sich noch einmal die Kriterien und Erfolgspunkte des Fairtrade-deutschland Siegels an, wird deutlich, dass die Farmer*innen vor Ort viele Standards erfüllen müssen, um zertifiziert zu werden. Dies unterstützt den sozialen Aspekt der Lieferkette und fördert bessere Arbeitsbedingungen, um beispielsweise Zwangsarbeit entgegen zu wirken. Allerdings bleibt am Ende kaum etwas von der Prämie für die Farmer*innen übrig und auch der Mindestpreis, den Fairtrade zahlt, hilft nicht einen fairen, existenzsichernden Lohn auszuzahlen. Insbesondere anhand des letzten Fakts wird deutlich, warum Kwame Asamoah Kwarteng gegenüber dem Fairtrade-Siegel skeptisch ist und für seine Landsleute darin keinen Mehrwert sieht. Genauso wie wir wünscht er sich mehr Transparenz und ein Umdenken in den Handelsstrukturen, anstelle von Marketingkampagnen und „Fairwashing “.